HAUSEIGENTÜMER: Herr Hiltmann, die Gemeinde Münchenstein hat jüngst entschieden, auf Ein-, Um- und Aufzonungen künftig eine Mehrwertabgabe von generell 50 Prozent zu erheben. Was geht Ihnen bei diesem Ansatz durch den Kopf?
Christof Hiltmann: Generelle Lösungen für komplexe Vorhaben sind selten der Weisheit letzter Schluss.
Das bisherige kantonale Gesetz schrieb den Gemeinden einen maximalen Satz von 20 Prozent vor – das Bundesgericht hat jedoch auf Intervention Münchensteins festgehalten, dass das Bundesgesetz in diesem Bereich die Gemeindeautonomie vorsieht. Auf dieser Basis ist Münchenstein nun vorgeprescht. Ein sinnvolles Vorgehen?
Münchenstein hat sich vor allem gegen das heute im Gesetz verankerte kommunale Verbot von Mehrwertabgaben bei Um- und Aufzonungen gewehrt. Allerdings muss man wissen, dass die Gemeinden heute schon Abgaben bei Umzonungen erheben, bei welchen erhebliche Mehrwerte entstehen. Dies geschieht bei Quartierplänen. Der angesprochene kantonale Satz von 20 Prozent betrifft nur Einzonungen – ein Vorgang, welcher aufgrund des Schutzes von Frei- und Landwirtschaftsflächen in der Schweiz kaum und insbesondere im Kanton Basel-Landschaft nicht mehr vorkommt. Und bei Aufzonungen – also wenn etwa eine Zone von drei auf vier Stockwerke aufgezont wird – stimmt das Aufwand- / Nutzenverhältnis nicht. Regelungen für Um- und Aufzonungen greifen daher ins Leere und sollten weiterhin nicht von der Abgabepflicht – egal in welcher Höhe – betroffen sein.
Auch der Kanton Basel-Landschaft hat sich aufgrund des Bundesgerichtsurteils bewegt und schlägt neu einen Ansatz von 30 Prozent für alle Zonenvorgänge vor, allerdings erteilt er den Gemeinden nach oben einen Freipass. Das klingt nach einem künftigen «Flickenteppich» mit sehr unterschiedlichen kommunalen Voraussetzungen …
Nicht die Gemeindeautonomie ist das Problem, sondern, dass die heute bestehende Verhandlungslösung bei Quartierplänen durch eine generelle Lösung ersetzt werden soll. Aktuell können die Gemeinden mit den Investoren die Entschädigung individuell aushandeln. So können neben oder anstelle von finanziellen Abgeltungen auch qualitative Anliegen der Gemeinde – wie zum Beispiel eine öffentliche Nutzung von privaten Flächen oder adäquate Wohnungspreise – ausgehandelt werden. Mit der Gesetzesrevision verschwindet diese wertvolle Möglichkeit.
Als Gemeindepräsident von Birsfelden bearbeiten Sie derzeit eine Vielzahl von Quartierplänen und Überbauungsprojekten. Wie geht Birsfelden denn mit möglichen Mehrwerten bei Zonenänderungen um?
Wenn anhand von Quartierplanungen ein erheblicher Nutzungsvorteil entsteht, also wenn auf einer betreffenden Parzelle zum Beispiel 50 Prozent mehr Geschossfläche erstellt werden kann als im Zonenreglement vorgegeben, wird dieser durch die Gemeinde teilweise abgeschöpft. Dabei wird berechnet, wie viel zusätzliches Land gebraucht würde, um die Mehrnutzung umsetzen zu können. Für dieses zusätzliche Land wird ein Verkehrswert berechnet und davon werden 30 Prozent als Abgabe fällig. Allerdings bildet dieser Wert nur eine Grundlage. Entscheidender ist, was mit dem Bauprojekt sonst noch seitens Gemeinde eingebracht und erreicht wurde. So kann die Geldleistung seitens der Investoren auch substanziell unter die 30 Prozent fallen, wenn auf viele qualitative Wünsche der Gemeinde eingegangen wird.
Ist dieser Ansatz nicht wesentlich zielführender als ein genereller und – im Falle einzelner Gemeinden stark überhöhter Satz für die Mehrwertabgabe?
Aus meiner Sicht auf jeden Fall. Dieser Weg ist für die Gemeinde jedoch umständlicher als eine generelle Abgabe. Jedes Projekt muss eigenständig evaluiert werden. Da mit einem Verhandlungsansatz viel besser auf die spezifischen Gegebenheiten der einzelnen grossen Planungsvorhaben eingegangen werden kann, entstehen in der Regel jedoch auch bessere und für die Bevölkerung nachhaltigere Resultate. Nicht die einmalige finanzielle Abgabe steht im Zentrum, sondern die Qualität des Gesamtwerks.
Inwiefern würden Sie eine hohe Mehrwertabgabe als investitionsfeindlich oder hinderlich für Verdichtungsprojekte beschreiben? Oder anders gefragt: Schneiden sich die Gemeinden so nicht ins eigene Fleisch?
Die Frage ist eher: verhindern hohe Mehrwertabgaben die Umsetzung des Bundesrechts, wonach die Innenverdichtung mit Qualität erfolgen soll. Aus Sicht der Gemeinde ist die einmalige Abgabe finanziell nicht matchentscheidend. Sie kann die Investoren wie auch Behörden sogar in falscher Sicherheit wiegen. Viel entscheidender für die Akzeptanz von Verdichtungsprojekten, welche einen erheblichen Planungsmehrwert mit sich bringen, ist, dass sie den politischen, qualitativen und ästhetischen Ansprüchen der jeweiligen Gemeindebevölkerung genügen. Kein Quartierplan wird alleine wegen einer Abgabe bewilligt.
Wo wird der Weg Ihrer Meinung nach hinführen? Beim Bund wird derzeit ebenso über die Zukunft der Mehrwertabgabe diskutiert wie beim Kanton und in einzelnen Gemeinden …
Die eidgenössischen Räte scheinen erkannt zu haben, dass es keinen Sinn ergibt, bei Um- und Aufzonungen zwingend Abgaben zu erheben. Da ist man auf der richtigen Spur. Ich hoffe, dass das heutige Aushandlungssystem bei Vorhaben mit erheblichen Mehrwerten beibehalten wird – im Interesse nicht nur der Investoren, sondern vor allem der qualitativen und nachhaltigen Entwicklung unserer dichten Lebensräume.
Das Interview führte Daniel Schaub, Redaktor